Streit im Wald
Der Wecker klingelt wieder um 5:30 Uhr. Noch bevor mein Verstand wirklich begreift, was ich da mache, führe ich meine Übung für den Rücken durch. Ich glaube, das hat mir sogar diese Nacht geholfen, da ich tatsächlich nicht so schlimme Schmerzen habe, wie die Tage zuvor. Ich bin trotzdem diese Nacht mehrfach aufgewacht und habe auch etwas länger wach gelegen. Die Zeit habe ich genutzt, um Fotos zu machen, da die Nacht so sternenklar war und der Mond gerade günstig über Hennings Zelt stand.

Nach der Übung koche ich mir noch in der Schlafsack gemümmelt mein Wasser für Kaffee und Müsli.

Nach dem Frühstück springe ich schnell unter die Dusche. Wegen meiner Haare habe ich mich gestern nur schnell sauber gemacht. Um 7 Uhr marschieren wir dann los. Ich werde heute irgendwie gar nicht richtig wach. In Richtung Kiel laufen wir durch Waldgebiete, die Luft fühlt sich sehr schwül an heute. Für unser zweites Frühstück haben wir uns eine Bank im Halbschatten ausgesucht. Plötzlich hören wir Geschrei, dann kommt ein kleiner Junge angerannt und hinter ihm her eine Frau. Wie wir dann aus dem Geschrei und Gezeter heraushören können, ist der Junge wohl unzufrieden mit dem Sportunterricht und will nach Hause, die Lehrerin kann ihn natürlich nicht einfach so nach Hause laufen lassen. Der Streit der beiden zieht sich durch den halben Wald und durch unsere gesamte Pause hindurch. Am Ende erreicht die arme Lehrerin allerdings doch noch, dass der Junge zurück in das Schulgebäude läuft und wir ziehen weiter.
Unser Weg führt uns nach Kiel, immer am Hafenbecken entlang und schließlich setzen wir mit einer Fähre über auf die andere Seite der Bucht. Hier gehen wir noch einmal einkaufen. Mittlerweile haben wir den Dreh raus, dass wir möglichst wenig an Essen und Trinken mitschleppen müssen, da wir hier so eine gute Infrastruktur vorgefunden haben, dass wir eigentlich täglich einkaufen gehen können. So müssen wir möglichst wenig Extragewicht mit uns tragen. Ich hole mir hier außerdem neue Einlegesohlen für meine Schuhe, da die, die bei den Schuhen dabei sind, praktisch nicht mehr existent sind, so plattgelaufen sind die. Es ist allerdings gar nicht so leicht, die mit dem Taschenmesser in die richtige Form und Größe zu bringen, aber mehr steht mir grade nicht zur Verfügung.

Kurz vor dem Ende Kiels radelt eine Frau an uns vorbei und wirkt total begeistert von uns und fragt wo es hingeht. Nach einem kurzen Austausch sagt sie, dass Hamburg aber in die andere Richtung liege und ob wir denn an der Schwentine entlang laufen würden. Schwentine sagt uns nichts, aber dort soll es wohl sehr schön sein. Wir verabschieden uns und nach circa 100 Metern verstehen wir, was gemeint war. Schwentine ist der Flus, der hier fließt. Ähnlich wie bei uns der Rurufer-Radweg. Nur schöner. Wir sind froh, dass wir fast den ganzen Tag den Schutz von Bäumen haben, da die Sonne mal wieder vom Himmel glüht. Hin und wieder geht es allerdings auch über Feldwege, wo wir regelrecht gebrutzelt werden. Hier zeigt sich mal wieder, wie gut es ist, dass wir das Extragewicht vom Regen-/Sonnenschirm mit uns herumtragen.

An einem Feldweg kurz hinter Kiel-Oppendorf legen wir auf einer Bank eine Rast im Schatten ein, wo wir unseren Salat futtern und uns etwas abkühlen. Vorbei kommt der Hund Otto, der uns ausgiebig beschnüffelt, aber nicht – wie von Frauchen befürchtet – das Bein erhebt. Kurz darauf kommt ein älterer Herr mit Walking-Stöcken vorbei. Er Fragt uns über unser Vorhaben und über unseren Weg aus und wirkt begeistert. Er wirkt selber noch recht fit, wir schätzen ihn auf Angang 80, obwohl er wesentlich jünger aussieht. Jeden Tag läuft er den Weg hier 10 mal auf und ab. Er trägt eine Pulsuhr, die immer mal wieder piepst.
Diese Begegnungen sind ein weiterer Grund, die einen antreiben, weiterzumachen. Es ist so schön, das Leuchten in den Augen des Gegenübers zu erblicken, wenn man ihnen von seinem Vorhaben erzählt. Es motiviert unheimlich, unterwegs diese Konversationen und das echte Erstaunen und die Bewunderung der vollkommen fremden Leute zu ernten. All die netten Wünsche – von gutem Wetter über schöne Wege und blasenfreie Füße.
Erheitert durch das nette Gespräch wandern wir weiter. Kurz vor Preetz beschließen wir, irgendwo unser Lager aufzubauen. Nach kurzem Suchen an den Feldwegen und in einem kleinen Wald, kämpfen wir uns durch Gebüsch und Dornenbüsche auf eine Wiese. Hier stehen gleich drei Hochsitze und so beschließen wir, bis zum Einbruch der Dämmerung zu warten und erst einmal etwas zu essen, für den Fall, dass wieder ein Jäger kommen sollte.
Da niemand erscheint, bauen wir endlich das Zelt auf, kurz bevor es dunkel wird. Mir ist es inzwischen richtig kalt geworden, da die Luft hier super feucht war. Irgendwie ist es hier im Norden abends und morgens immer feucht und klamm vom Tau und Nebel. Bei den vielen Seen, Flüssen und der Nähe zum Meer ist das allerdings auch kein Wunder.